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Von der Idee zum Bauteil: Das Potenzial des Sandgusses in der Karosserie-Innovation

Der folgende Fachartikel basiert auf der Zusammenarbeit zwischen Hüttenes-Albertus und Laempe, die auf der „New Manufacturing World 2024“ sowie dem „Formstoff-Forum 2025“ von Franz Friedrich Butz (Hüttenes-Albertus Chemische Werke GmbH) und Rudolf Wintgens (Laempe Mössner Sinto GmbH) vorgestellt wurde.

Lesedauer: min | Bildquelle: Hüttenes-Albertus Chemische Werke GmbH

Die Automobilindustrie befindet sich seit einigen Jahren in einem tiefgreifenden Wandel, der insbesondere durch die Diversifizierung im Antriebsstrang geprägt ist. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach Gewichtseinsparungen, was zu einem deutlich höheren Einsatz von Aluminiumguss in der Karosseriefertigung geführt hat. Diese Entwicklung bringt zunehmend komplexe und größere Strukturbauteile hervor, die aus funktional integrierten Gussteilen bestehen.

Die sogenannte MEGA- oder GIGA-Casting-Technologie ermöglicht die Herstellung extrem großer Komponenten im Druckguss. Dieses Hochleistungsfertigungsverfahren hat sich in den letzten Jahren etabliert und ist zu einer interessanten Alternative zur herkömmlichen Karosseriefertigung aus Stahlblech geworden. Dennoch birgt es große Herausforderungen: hohe Investitionskosten, lange Rüstzeiten und Werkzeugstandzeiten, eingeschränkte Bauteilgestaltung sowie Fragen zu Reparatur und Versicherung.

Sandguss bietet hier ein alternatives, effizientes und technologisch vorteilhaftes Verfahren – insbesondere für mittlere Serien. Ein gemeinsames Projekt des Gießereichemie-Spezialisten Hüttenes-Albertus (HA Group) und Laempe, dem Experten für Maschinentechnologie in der Kernfertigung, zeigt, dass auch in diesem Bereich neue Denkansätze und frische Lösungen möglich sind.

MEGA-Sandguss-Studie

In einer innovativen Studie untersuchen beide Marktführer gemeinsam mit einem Spezialisten für digitale Kostenanalysen das Potenzial des Sandgusses für die Karosseriefertigung. Das Konzept umfasst die Herstellung eines Heckrahmens für ein Luxusfahrzeug im Niederdruck-Kernpaket-Gießverfahren. Gleichzeitig erfolgt ein wirtschaftlicher und ökologischer Vergleich mit dem Druckgussverfahren. Die Ergebnisse zeigen: Mit zunehmender Konstruktionskomplexität und dem Bedarf an Flexibilität in der Funktionsintegration und Bauteilgröße kann der Sandguss eine valide Alternative zum Druckguss darstellen.

 

Herstellung von Sandformen im Kernschießverfahren

Die Sandformen werden mittels Kernschießverfahren oder alternativ durch 3D-Sanddruck gefertigt. Als Standard wird Quarzsand eingesetzt. Durch spezielle Formstoffe und Bindersysteme lassen sich gewünschte Eigenschaften der Gussteile gezielt einstellen. Das bewährte Kernschießverfahren sorgt für hohe Maßgenauigkeit und Stabilität der Gussteile. Zudem können Innenkerne verwendet werden, um Hinterschneidungen und komplexe Hohlräume exakt abzubilden.

In der Gießerei werden Formen und Kerne automatisiert durch Handling-Roboter montiert – dies sichert Prozesssicherheit und Effizienz. Transport und Lagerung der Formpakete bis zur Gießanlage sind ebenfalls automatisiert. Das Verfahren bietet zudem große Flexibilität: Werkzeugwechsel während des Zyklus sind möglich, ebenso wie die direkte Fertigung von Prototypen in der Serienproduktion.

Durch additive Fertigung lassen sich Kerne und Formen ohne werkzeuggebundene Einschränkungen produzieren. Dies eröffnet zusätzliche Freiheiten und ermöglicht komplexe Geometrien mit Hohlstrukturen und Hinterschneidungen, die im Druckguss nicht realisierbar wären – z. B. für „Pack-to-Open-Body“-Konzepte.

Beim Gießen werden die Formpakete auf rotierenden Transportpaletten über Rollenbahnen zu Niederdruck-Gießmaschinen befördert. Eine druckunterstützte, laminare Formfüllung erfolgt über Steigrohre. Das Niederdruckgussverfahren ermöglicht durch gerichtete Erstarrung bessere Materialeigenschaften im Vergleich zum Druckguss und eröffnet zusätzliche Potenziale bei der Wahl von Sanden, Bindern und Beschichtungen.

Wirtschaftlichkeit und stabile Prozesse

Nach Erreichen der Prozessreife wurde das Konzeptbauteil einer Kostenanalyse unterzogen. Basis: 250.000 Stück pro Jahr über 7 Jahre. Ergebnis:

  • Investitionskosten ca. 30 % niedriger als beim GIGA-Casting.

  • Fertigungskosten pro Teil vergleichbar mit Druckguss.

  • Für kleinere Serien bietet Sandguss durch deutlich geringere Werkzeugkosten erhebliche Vorteile.

Die Materialeigenschaften und Wandstärken der Bauteile liegen auf ähnlichem Niveau. Hochwertige Gussteile entstehen durch laminare Formfüllung und gerichtete Erstarrung. Probleme des Druckgusses wie Ansaugstellen oder Adhäsionspunkte treten nicht auf.

Vorteile im Überblick

  • Kernschießmaschinen in ausreichender Größe verfügbar → marktreife Technologie auch für großflächige Bauteile.

  • Bewährtes Kernpaketverfahren → bekannt in der Gießereipraxis.

  • Vorhandene Infrastruktur → große Teile der Peripherie nutzbar.

  • Werkzeuglose Fertigung durch 3D-Sanddruck → flexible und nahezu kostenneutrale Produktion von Einzelteilen und Kleinserien.

  • Realisierung spezieller Konturen → additive Fertigung ermöglicht Geometrien jenseits klassischer Werkzeuge.

  • Automatisierte Prozesse → konstante Qualität bei geringer Personalabhängigkeit.

Die Zukunft kennt keine Grenzen

Die Transformation in der automobilen Gießereitechnik verlangt innovative Lösungen. Ökologische Mobilität erfordert Leichtbau und Effizienz, um CO₂ zu senken und Ressourcen zu schonen. „Form follows function“ verlangt maximale Gestaltungsfreiheit – im Druckguss oft eingeschränkt.

Neue Fahrzeugkonzepte, digitale Fahrzeugarchitekturen und softwaredefinierte Fahrzeuge stellen zusätzliche Anforderungen. Flexibilität in der Fertigungstechnologie wird zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Auch der Einsatz von KI kann Entwicklungen beschleunigen und Entwicklungszeiten verkürzen.

Ebenso zentral: die Ausbildung und Qualifizierung von Fachkräften, um Innovationskraft und Zukunftsfähigkeit zu sichern.

Fazit

Das gemeinsame Projekt von Hüttenes-Albertus und Laempe zeigt klar das enorme Potenzial des MEGA-Sandgusses für den automobilen Leichtbau. Gießereien gewinnen damit nicht nur eine wirtschaftliche Alternative zum GIGA-Casting, sondern auch neue Geschäftsperspektiven.

Mit innovativen Technologien und Partnerschaften unterstützen HA und Laempe die Branche dabei, nachhaltige und flexible Lösungen zu entwickeln. Die Zukunft des Fahrzeugbaus ist geprägt durch neue Materialien, Verfahren und Digitalisierung – MEGA-Sandguss kann hier ein entscheidender Schritt in Richtung effizienter und flexibler Fertigung sein.

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Dipl.-Ing. Franz Friedrich Butz | Geschäftsführer | Hüttenes-Albertus Chemische Werke GmbH (HA-Gruppe)

Dipl.-Ing. Rudolf Wintgens | Geschäftsführer Technologien | Laempe Mössner Sinto GmbH

 

Hüttenes-Albertus Chemische Werke GmbH

Die HA-Gruppe ist ein weltweit führender Hersteller von chemischen Produkten für die Gießereiindustrie. Das seit über 100 Jahren bestehende Familienunternehmen konzentriert sich auf Forschung, moderne Technologien und die enge Zusammenarbeit mit Kunden und Partnern, um zukunftsweisende Lösungen zu entwickeln. Hüttenes-Albertus (HA) bietet eine breite Palette hochwertiger Materialien für die Form- und Kernherstellung sowie umfassende Dienstleistungen. Mit rund 1.800 Mitarbeitern in über 30 Ländern verfügt die HA-Gruppe über ein starkes internationales Netzwerk mit eigenen Produktionsstätten, Labors und Vertriebsgesellschaften.

https://www.ha-group.com

Laempe Mössner Sinto GmbH

Die Laempe Mössner Sinto GmbH ist weltweit Marktführer für Kernherstellungstechnologien in der Gießereiindustrie und bietet ein umfassendes Portfolio an Maschinen, Automatisierungslösungen und Dienstleistungen. Seit ihrer Gründung im Jahr 1980 hat sich das Unternehmen durch Innovation und Fachkompetenz kontinuierlich weiterentwickelt. Neben automatischen Kernschießmaschinen, Sandmischern und Steuerungssystemen realisiert Laempe schlüsselfertige Kernwerkstätten nach Kundenwunsch. Das Unternehmen bedient zahlreiche Branchen, darunter die Automobil-, Maschinenbau- und Elektromotorenindustrie. Mit rund 300 Mitarbeitern, eigenen Vertriebsniederlassungen und 25 Partnern weltweit bietet Laempe erstklassigen Service und globale Unterstützung.

https://www.laempe.com 

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